Asklepios Kliniken
Bild: Happymed-Videobrille im Einsatz
Anästhesie. Innovation.

Kino im Kopf - Audiovisuelle Ablenkung bei der OP

Weniger Stress, weniger Medikamente, keine Schmerzen: Eine Video-Audio-Brille lässt Patientinnen und Patienten die bevorstehende OP vergessen.

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Nie mehr Angst vor der OP

Ein bisschen Aufregung und Nervosität vor einer OP, das kennt wohl jeder, der sich schon einmal einem Engriff unterziehen musste. Manche Patientinnen und Patienten entwickelt jedoch regelrechte Angst vor dem Eingriff und lassen sich dann auch nur schlecht wieder beruhigen.

Hier kann nun eine moderne und innovative technische Entwicklung Abhilfe schaffen - und zwar ganz ohne Nebenwirkungen. Wir haben uns mit Dr. med. Fabian Heuser, Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin an der Asklepios Klinik LindauDr. med. Martin Schlott, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin an der Asklepios Stadklinik Bad Tölz und Mathias Mamier, Leitender Oberarzt der Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerz- und Palliativtherapie am Asklepios Klinikum Harburg über den Einsatz und Ihre Erfahrungen mit der HappyMed-Videobrille unterhalten.

Bild: Anästesist am Monitor
Narkose ohne Komplikationen

Die Brille mit dem sprechenden Namen HappyMed fand Dr. Fabian Heuser 2017 im Netz. Da war er noch Oberarzt im Asklepios Klinikum Bad Tölz. „Man guckt halt immer, wie man seine Klinik nach vorne kriegt“, erklärt der heutige Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin an der Asklepios Klinik Lindau. „Was kann ich meinen Patienten und Patientinnen anbieten, damit ich sie möglichst schonend behandeln kann?“ Eine solch patientenorientierte Behandlung bedeutet in der Anästhesie: sichere Narkosen ohne Komplikationen und angstfreie Patienten, die ihrem Anästhesisten vertrauen. Die Idee von HappyMed, Menschen mit Hilfe von Bildern und Tönen, die sie über eine Videobrille mit Kopfhörer wahrnehmen, in eine Art Trance zu versetzen, begeisterte Dr. Heuser sofort. Und mit ihm seinen damaligen Vorgesetzten am Bad Tölzer Klinikum: Chefarzt Dr. Martin Schlott.

Der ließ das Set aus Brille und Kopfhörer sogleich zur vierwöchigen Probestellung in seine Klinik ordern. Und ist nach wie vor fasziniert von dessen Wirkung: „Wir haben das Produkt reihum ausprobiert“, erinnert er sich. „Der Fokus verschiebt sich komplett: von außen nach innen. In weniger als einer Minute war man weg: Die Eindrücke, die man vor dem Aufsetzen der Brille um sich herum wahrgenommen hat, rücken in den Hintergrund, die Bilder und Töne der Brille in den Vordergrund.“ Selbst als sich sein Test-Team aus Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften gegenseitig knuffte und zwickte, um medizinische Eingriffe wie das Anlegen einer Kanüle zur OP-Einleitung wenigstens ansatzweise zu simulieren, blieben die erwarteten Reaktionen aus: Die Testpersonen nahmen einfach keine Notiz davon.

Das Gehirn kann nur eine Sache zur Zeit

Woran das liegt? „Das menschliche Gehirn kann zur gleichen Zeit immer nur einer bestimmten Anzahl von Reizen folgen“, erklärt Chefarzt Dr. Schlott. „Wie bei einer Hypnose versetzt die Brille den Patienten in einen Zustand fokussierter Aufmerksamkeit.“ Alles, was diesen Fokus störe, werde ausgeblendet: Aktivitäten und Gespräche von außen, aber auch Gefühle wie Stress und Schmerzen von innen. Dabei nutzt die Brille die Tatsache, dass der Mensch über 80 Prozent seiner Umgebung über seine Augen und Ohren wahrnimmt. Werden diese Sinne mit audio-visuellen Eindrücken besetzt, konzentriert sich der Mensch auf das, was er sieht und hört und vergisst, was um ihn herum passiert.

Um jeden Patienten und jede Patientin abholen zu könne, ist das Filmangebot von HappyMed entsprechend groß: Die Patienten und Patientinnen können aus einem umfangreichen Paket aus Dokumentationen und Spielfilmen, Landschafts- und Unterwasseraufnahmen, Komödien, Western, Zeichentrickfilme und Comicserien ihren Lieblingsfilm wählen.

Ablenkung ist ein sehr probates Mittel, um Angst zu bekämpfen“, erklärt Chefarzt Dr. Heuser. „Vor der Operation sind viele Patientinnen und Patienten angespannt und aufgeregt: Ihr Herz klopft, ihr Atem geht schnell, Puls und Blutdruck sind erhöht. Sobald man ihnen die Brille aufsetzt, normalisieren sich diese Werte nachweislich.“ Gerade bei Kindern sehe man diesen Effekt ganz extrem – weshalb die Brille auch bei den allerkleinsten Patientinnen und Patienten zum Einsatz kommt. „Sie helfen den Kindern und den Eltern“, berichtet Dr. Heuser aus langjähriger Erfahrung. „Gerade bei drei- bis vierjährigen Patienten kann die OP-Vorbereitung für alle Beteiligten zur Herausforderung werden. Wenn man den Kleinen aber die Brille aufsetzt, sind sie im Nu von Film und Musik gefangen – den Pieks mit der Nadel nehmen sie dann zum Teil gar nicht mehr wahr.“

Über diesen wünschenswerten Effekt hinaus hat die Brille aber noch weitere Vorteile: Sie ermöglicht eine schnellere Genesung, minimiert die Risiken und mögliche Nebenwirkungen von Schlaf- und Beruhigungsmittel oder ersetzt sie ganz. „Mit der Brille erzielen wir den gleichen therapeutischen Effekt wie mit einem medikamentösen Eingriff, nur ohne dessen Nebenwirkungen. Ganz ohne Chemie, allein durch die Suggestion nehmen wir den Menschen die Angst vor der Operation“, erklärt dazu Dr. Heuser, der beim Einsatz audiovisueller Techniken mittlerweile die Gabe von Beruhigungsmittel deutlich reduzieren konnte.

Bild: Dr. Heuser mit der Happymed-Brille im Einsatz
Vielseitig einsetzbar

Bislang wird die Brille inklusive Filmpaket im Abonnement in den Asklepios Kliniken Bad Tölz, Lindau, Hamburg-Harburg, Langen, Birkenwerder, Weißenfels und Schwalmeder vor allem ergänzend bei Regionalanästhesien eingesetzt, etwa bei orthopädischen Eingriffen wie Hüftgelenks-, Knie- oder Arm-Operationen. Zwar werden die betroffenen Körper-Regionen betäubt, etwa über eine Spinalanästhesie. Das reicht vielen aber nicht. „Die meisten Patientinnen und Patienten befürchten, während der Operation etwas zu hören oder zu spüren“, sagt Chefarzt Dr. Heuser. Und bestätigt: „Die Sorge ist nicht unberechtigt! Bei einer Hüft-OP wird gesägt und gebohrt, da merken Sie schon, dass was gemacht wird!“ Die Brille hingegen reduziert die Wahrnehmung dieser Geräusche.

Schmunzelnd erinnert er sich an eine Patientin, die sich einer handwerklich anspruchsvollen Hüft-OP unterzog. Als er ihr nach fast einstündiger Operation die Brille abnahm, fragte sie verdutzt: „Sind wir denn schon fertig?“ „Das zeigt, wie effektiv die audiovisuelle Fokussierung ist“, so der Arzt. Die Methode sei dabei nicht ausschließlich für Regionalanästhesien verwendbar. Auch beim Vorlauf einer Vollnarkose, in der Notaufnahme oder zur Verkürzung der Wartezeiten vor und nach der OP könne sie angewandt werden. Ziel sei immer, dass sich der Patient entspannt, weniger Stress, Angst und Schmerzen empfindet und sich diese Signale positiv auf Operationsverlauf und Genesung auswirken.

Nicht für jeden Menschen geeignet

So überzeugend der therapeutische Effekt bei vielen Patientinnen und Patienten ist, so kann die Brille dennoch nicht bei allen angewandt werden. Mathias Mamier, Oberarzt für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall-, Schmerz- und Palliativmedizin am Asklepios Klinikum Hamburg-Harburg, hat die Erfahrung gemacht, dass ältere Patienten und Patientinnen mit dem Gerät fremdeln: „Über 80-Jährige setzen die Brille häufig nach zehn Minuten wieder ab. Die Technik irritiert sie“, so der Anästhesist. „Für sie ist es gut, wenn sie die Operation im Dämmerschlaf verpassen. Oder aber die ganze Zeit wach bleiben, auch das möchten viele Ältere: Sie fürchten den Kontrollverlust und unterhalten sich währenddessen lieber mit dem Anästhesisten.“ Zu einer individuellen Patientenbehandlung gehöre, dass jeder Mensch die Wahl habe und gemeinsam mit seinem behandelnden Arzt, seiner behandelnden Ärztin die für ihn richtige Entscheidung treffen könne.

„Die Brille ist eine schöne Ergänzung zur klassischen Betäubung, insbesondere für junge, technikaffine Patientinnen und Patienten“, so Mathias Mamier. „Wer das aber nicht will, dem bieten wir medikamentöse Alternativen an.“ Diese Einschätzung teilen Dr. Schlott und Dr. Heuser. „Wem wir die Brille bei welcher Operation anbieten, entscheiden wir immer von Fall zu Fall“, bestätigt Dr. Schlott.  Und Dr. Heuser ergänzt: „Man muss schon ein bisschen dran glauben. Die Brille wirkt wie ein Placebo: Sie funktioniert, wenn man sich darauf einlässt.“ Wer das nicht kann oder will, für den stehen in den Asklepios Kliniken selbstverständlich alle klassischen Narkose-Verfahren zur Verfügung.

Bild: Ärztin im Gespräch
Am Anfang ist das Gespräch

Die Brille als Alternative zur Sedierung stellt dabei nur einen Baustein in der gesamten perioperativen Betreuung dar: Der Erstkontakt des Anästhesisten mit dem Patienten, der Patientin sei nicht die Narkose, sondern das Gespräch, betonen alle drei Anästhesisten. Zu den Aufgaben gehöre zwingend das Vor- und Nachgespräch, das der Anästhesist für den Patienten vor, während und unmittelbar nach der Operation leiste. „Damit tritt man eventuellen Ängsten gleich zu Beginn offensiv entgegen“, so Dr. Heuser. „Wenn man es richtig macht, kann man bereits im Gespräch ganz viel Druck abbauen.“

Die Kunst sei, sich auf jeden Menschen mit dem gleichen Engagement und der gleichen Empathie einzustellen. „Die Herausforderung ist ja, dass für den Patienten in der Regel alles neu ist und er mit Ängsten und Sorgen zu kämpfen hat, wohingegen für uns der Eingriff eine absolute Routine darstellt.“ Darüber hinaus seien die Patienten und Patientinnen höchst unterschiedlich: „Die einen sagen, ‚machen’s einfach Herr Doktor! wird schon recht sein‘; die anderen haben bei Google alles bis ins kleinste Detail recherchiert und haben dazu tausend Fragen.“ „Deshalb ist das Vorgespräch so wichtig“, ergänzt Dr. Schlott: „Hier bauen wir Vertrauen auf: Wenn uns das gelingt, kommen die Patienten deutlich entspannter zur Operation. Und wenn wir dann in dem Gespräch merken: Da ist jemand, dem würde die Brille richtig guttun! – dann ist es schön, dass wir sie alternativ anbieten können.“

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