Asklepios Kliniken
Bild: Smartpone mit Apps
Digitalisierung. Krebstherapie.

Lebenshilfe vom Handy

Medizinische Apps sollen Patient:innen helfen, z. B. Stress, Angst und Depressionen zu lindern. Doch funktioniert das?

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Hilfe zur Selbsthilfe

Sie heißt EWA, trägt einen Pferdeschwanz und ist zwischen 30 und 40 Jahre alt. EWA ist der Avatar in der Gesundheits-App Living Well. Sie begrüßt und begleitet die Userin von Tag 1 an. Living Well ist ein interaktives Selbsthilfe-Programm für Krebspatientinnen, das gemeinsam mit betroffenen Frauen von psycho-onkologischen Expertinnen und Experten entwickelt wurde. Ziel der DIGA ist es, Krebspatientinnen Informationen und Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie Ängste und Stress, Depressionen und Erschöpfungszustände besser bewältigen können.

Beim ersten Aufruf werde ich aufmunternd begrüßt: „Willkommen Merle!“ steht da geschrieben. „Heute ist ein neuer Tag!“ In dem Stil geht es weiter. „Öffne die App“, werde ich aufgefordert. „Der erste Schritt ist schon geschafft!“ Danach folgt eine Einführung in das Programm. Damit es individueller auf die Bedürfnisse der Anwenderinnen eingehen kann, werden persönliche Auskünfte erbeten, beispielsweise wie alt die Userin ist, ob sie sich in Behandlung befindet oder diese bereits abgeschlossen hat, was sie sich besonders wünscht. Etwa, sich weniger Sorgen zu machen, Stress zu reduzieren, wieder normal leben zu können. Wenn das geschafft ist, geht es mit der eigentlichen Reise los und die App verspricht „eine weitere Portion Heilung für heute“.

22 Lektionen für mehr Selbstfürsorge

Diese „Portionen“ bestehen aus 22 Lektionen. Die App empfiehlt, je eine täglich oder alle zwei Tage zu erarbeiten. Dazu benötigt man rund zwanzig Minuten Zeit. Jede Lektion besteht aus einem Theorie- und einem Praxisteil. Lektion 1 beispielsweise behandelt das Thema „Stress und Emotionen“, erläutert Ursachen und Erscheinungsweisen und schließt mit einer Atmungsübung ab. Der persönliche Fortschritt bei der Erledigung der Aufgaben wird über ein grafisches Feature, das tägliche Stresslevel, von eins bis zehn auf einem Fieberthermometer illustriert. Alle Anwendungen zielen darauf, Wissen zu vermitteln und Werkzeuge zu erproben, die Stress und Angst minimieren. Die App ist mit künstlicher Intelligenz ausgestattet, sodass sie Ansprache und Inhalte im Verlauf des Gebrauchs individuell auf die Bedürfnisse der Userin ausrichten kann. Weitere Features wie die Möglichkeit, Tagebuch zu führen oder die eigene Gefühlslage zu bewerten, erhöhen Nutzen und Vielseitigkeit der digitalen Anwendung. Dazu gehören auch die als Vod- und Podcast abrufbaren Erfahrungsberichte von Frauen, die ihre Krebserkrankung überwunden haben. Sie machen Mut, sind wahrhaftige Botschafterinnen des Kernthemas von Living Well: Du bist nicht allein und Du schaffst das!

Bild: Frau mit Smartphone
Mentale Gesundheit als Heilquelle

Im Unterschied zu kommerziellen Applikationen sind medizinische DIGA per Definition „Medizinprodukte“ und müssen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte genehmigt werden. Entsprechend hoch sind die an sie gestellten Anforderungen: Ihre Entwicklung fußt auf neuester medizinischer Forschung, ihr medizinischer Nutzen muss in Studien evaluiert werden. Aktuell testet das Asklepios Tumorzentrum Hamburg die App Living Well unter der Verantwortung von Oberärztin Dr. Georgia Schilling. Zwölf Wochen lang durchlaufen dreißig an Brustkrebs erkrankte Patientinnen das 22-Lektionen-Programm. Weitere dreißig Patientinnen bilden die Kontrollgruppe ohne digitale Unterstützung. Sie erhalten nach Ablauf der dreimonatigen Testphase ebenfalls Zugang zur App. Dr. Georgia Schilling ist auch ohne Studie davon überzeugt, dass die App funktioniert. „Sie hilft den Frauen auf spielerische und informative Weise, achtsam mit sich zu umzugehen“, sagt die engagierte Onkologin. „Sie erhöhen damit ihre Lebensqualität und Heilungschancen: Mentale Gesundheit ist eine Voraussetzung für die Überwindung der Krankheit.“

Mentale Gesundheit ist eine Voraussetzung für die Überwindung der Krankheit.

PD Dr. Georgia Schilling Chefärztin Onkologische Rehabilitation Asklepios Nordseeklinik

Der Ansatz: Kognitive Verhaltenstherapie

Living Well nutzt dafür die Erkenntnisse und Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Das Programm spricht systematisch Überzeugungen und Verhaltensweisen an, die den betroffenen Menschen bedrücken. Das können ultranegative Glaubenssätze sein wie „Ich werde daran sterben“ oder dysfunktionale Verhaltensweisen wie lieblose Ernährung, Bewegungslosigkeit, Autoaggression. Die kognitive Verhaltenstherapie macht solcherart gesundheitsschädigende Einstellungen und Handlungen sichtbar und setzt ihnen gesundheitsförderliche Gedanken und Verhaltensweisen entgegen. Mit ihnen werden die negativen Gedanken und Verhaltensweisen quasi „überschrieben“, vorausgesetzt, das neue Denken und Verhalten werden ausdauernd geübt. Wie Klavierspielen. Geht auch nicht von jetzt auf gleich. Nach ein paar Tagen und Wochen klingt es dann aber wunderschön, das neu einstudierte Stück.

Bild: Arzt mit Patient:in
Will ich haben!

Wie jedes andere Medizinprodukt werden auch Apps ärztlich verordnet und von den Gesetzlichen Krankenhassen bezahlt. Man kann sie zwar aus dem Playstore herunterladen, zur Aktivierung ist jedoch ein Code erforderlich. Den kriegt man per Rezept. Danach kann es dann losgehen: DIGA können überall und zu jeder Zeit genutzt werden – ein riesengroßer Vorteil. „DIGA helfen, knappe Gesundheitsleistungen in die Fläche zu bringen“, freut sich Dr. Georgia Schilling. „Nicht jeder Patient oder jede Patientin kann sofort und unbefristet psychotherapeutisch versorgt werden. DIGA helfen, diese Versorgungslücke zu überbrücken.“ „Überbrücken“, sagt sie. Nicht „ersetzen“. „Applikationen können immer nur zusätzlich eingesetzt werden“, so Dr. Georgia Schilling. „Sie produzieren positive Versorgungseffekte, ersetzen aber keine Diagnose, keine Therapie und kein persönliches Gespräch von Mensch zu Mensch.“

Patientenaktionstag am 11. Februar 2023

Vorgestellt wird Living Well auf dem Asklepios Krebskongress „Krebs und Fürsorge“, der Anfang Februar in Hamburg in der Ärzteakademie, Standort Asklepios Klinik St. Georg (intern „Georgie“) stattfindet. Der Patientenaktionstag ist am Samstag, 11. Februar 2023 von 13:30 bis 17:00 Uhr darin eingebettet. Wer nicht live dabei sein kann, kann die Veranstaltung am heimischen Computer streamen. „Alle Interessierten, alle betroffenen Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen sind herzlich willkommen“, wirbt Dr. Georgia Schilling, die den Patientenaktionstag jährlich ausrichtet. „Unsere Gäste erwarten Vorträge und Diskussionen rund um neue Methoden und Technologien in der psychosozialen und psychoedukativen Therapie sowie in der Tumormedizin. Wir stellen Applikationen vor, sprechen über Mind-Body-Medicine, unsere geplante Ayurveda-Studie und das Zukunftsthema ‚Impfen gegen Krebs‘. Im Vorraum und auf den Fluren präsentieren Selbsthilfegruppen ihre Unterstützungsangebote.“ Es lohnt sich also zu kommen! Dr. Georgia Schilling wird die Veranstaltung moderieren. Sie brennt für ihr Fachgebiet. Schon als junge Assistenzärztin arbeitete sie auf den Krebsstationen des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf. „An Krebs erkrankte Menschen brauchen Zeit und Zuwendung“, sagt die gebürtige Nürnbergerin, die vier Tage die Woche auf Sylt in der nördlichsten Klinik Deutschlands die Abteilung für onkologische Rehabilitation leitet und den fünften Tag in Hamburgs größtem Tumorzentrum verbringt. „Ich will meine Patientinnen und Patienten ganzheitlich und langfristig begleiten. Deshalb bin ich Onkologin geworden. Für mich gibt es dazu keine Alternative.“

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Nähere Informationen zu Kongress und Patiententag

asklepios-krebskongress.goes-virtual.de

 

asklepios-krebskongress.goes-virtual.de/patientenaktionstag

 

Anmeldungen zum Patiententag unter aerztekammer@asklepios.com.