Ohnmacht befördert Angst
Das Weltgeschehen spiele insofern eine Rolle, als dass unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem suggeriert, über Leistung ließe sich alles lösen. „Man muss sich nur genügend anstrengen“, beschreibt Nicole Plinz dieses irreführende Leistungsversprechen der westlich-kapitalistischen Welt. Der Einzelne könne alles richten – ebenso wie das Gesamtsystem: Jahrzehntelang haben wir in der Illusion gelebt, wir könnten mit jeder Herausforderung fertig werden, sei es mit Naturkatastrophen oder Krieg. „Die eigentliche Kränkung unserer Tage ist, dass dieses Versprechen durch die aktuellen Krisen Brüche erfährt oder gar zerbrochen ist“, so Nicole Plinz. „Die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine und in Nahost, sie lassen sich nicht durch immer mehr Leistung in den Griff kriegen. Wir leben in unsicheren Zeiten. Das zentrale Versprechen, alles sei machbar, gilt nicht mehr.“
Erst der Glaube an die Machbarkeit durch Leistung habe in die aktuelle Angstkrise geführt. Nicole Plinz: „Wir dachten, wir haben alles im Griff. Deshalb dachten wir auch, wir können mit unserem Planeten machen, was wir wollen, das lässt sich hinterher alles regeln.“ Mit Angst und Entsetzen registrierten die Menschen nun, dass das nicht stimmt. Es lässt sich nicht nur nicht regeln, es entgleitet uns regelrecht. Dadurch werden Ängste freigelegt, die viele so nicht kannten. Angst aber sei ein Durchlauferhitzer: „Angst macht Beine“, verbildlicht Nicole Plinz das Gefühl. „Wer ständig weglaufen muss, ist im Dauerstress, der unweigerlich zur Erschöpfung führt.“ Ein Großteil ihrer Patientinnen und Patienten litte an Erschöpfung oder Depression.